„Arme, gebeutelte Gartenstadt…“ Oder: wie kann ich mit allen Mitteln eine Unterschutzstellung der Siedlung Berne verhindern?

Olaf Scholz hatte es in seinem Wahlprogramm versprochen, der Senat hat im Oktober 2012 das von Denkmalschützern schon lange geforderte Ipsa-lege-Gesetz beschlossen. Danach sollen künftig alle bereits als schützenswert anerkannten Denkmäler in Hamburg ohne bürokratische Verzögerung unter Schutz gestellt werden – wie in den meisten Bundesländern üblich. Die in Hamburg gültige Unterscheidung in geschützte und erkannte Denkmäler würde dann entfallen. Am 26.2.2013 wird der Senat zu dem Thema befragt, die Bürgerschaft entscheidet über das neue Gesetz Ende März.

Am 31.1.2013 wurden in einer öffentlichen Anhörung im Rathaus 13 Experten zu der Gesetzesnovelle befragt (siehe Einladung zur Anhörung als PDF und Artikel vom 1.2.2013 in der TAZ „Feuerprobe fürs Gesetz“). Kulturausschuss und Stadtentwicklungsausschuss hatten gemeinsam geladen.

An der Denkmalfrage zeigt sich die gegensätzliche Interessenlage von Kultur und Stadtentwicklung, und so auch in den Beiträgen der Referenten.
Neben Kultursachverständigen und Denkmalschützern waren eingeladen z.B. Dr. Peter Hitpaß vom VNW (Verband norddeutscher Wohnungsunternehmen, in dem die Gartenstadt Mitglied ist), sowie Dr. Geerd Dahms, Sachverständiger für Beurteilung der Denkmalwürdigkeit von Gebäuden (der für die Gartenstadt 2010 das Gutachten zur Teilunterschutzstellung von ca. 35 % der Siedlung erarbeitet hat).

Und so kommt es, dass bei der Anhörung  im Rathaus immer wieder die Gartenstadt Siedlung Berne als Argument gegen das Denkmalschutzgesetz herangezogen wurde. Herr Hitpaß vom VNW argumentiert mit der Überforderung der  Wohnungswirtschaft – die Verpflichtung des VNW, 1900 Wohnungen im Jahr zu bauen, und der Denkmalschutz für Ensembles (z.B. Siedlung Berne) seien nicht vereinbar.  Der Eingriff in die Grundrechte des Eigentümers (hier: Gartenstadt), Flexibilität zur Anpassung an sich wandelnde Bedürfnisse (?), und wirtschaftliche Gründe sprechen gegen das Denkmalschutzgesetz, genauer: gegen die Unterschutzstellung von Ensembles.

Im Interwiew mit dem NDR 90.3 (1.2.2013) bringt er diese Ambition auf den Punkt:
In der Gartenstadt Berne etwa mit 540 Wohnungen könnte die Genossenschaft eine Sanierung nicht mehr zahlen.“
Ob diese Äußerung von Herrn Hitpass stammt, oder direkt von Herrn Witt, der auch anwesend war an dem Abend, wird in dem Beitrag nicht deutlich.
Herr Dahms, (der in seinem Gutachten ca. 35 % Unterschutzstellung der Siedlung für völlig ausreichend hielt), hat anschaulich beschrieben, wie „gebeutelt“ (Zitat) die Gartenstadt mit ihrem großen Ensemble sei. Er sei froh gewesen, bei der Hausbegehung des Berner Heerweg 476 die Haushälfte lebend wieder verlassen zu haben… (Ein Doppelhaus, dessen andere Haushälfte wohlgemerkt bis jetzt bewohnt ist!)
Plakativer lässt sich die Intention, und deutlicher lässt sich die Allianz zwischen Wohnungswirtschaftlobby, Parteiinteresse und Genossenschaft kaum mehr darstellen.

Mit keinem Wort erwähnt wird:

  • Es gibt kein Gutachten zum Zustand der Bausubstanz und dem Aufwand zur fachgerechten Sanierung des Hauses Berner Heerweg 476
  • Die Tatsache, dass die andere Haushälfte vom Berner Heerweg 476 nach wie vor bewohnt ist, und dort noch nicht mal Untersuchungen der Bausubstanz stattgefunden haben, (um „den derzeitigen Nutzer nicht zu belästigen“)
  • Die Ursachen für den Instandhaltungsstau
  • Die Unterscheidung von allgemeinem Sanierungsbedarf einerseits und angeblichen Mehrkosten durch den Denkmalschutz andererseits
  • Das Siedlungsprinzip mit Nutzung von „Dach und Fach“ und der hohen Eigenleistung der Nutzer
  • Der Gewinnerwirtschaftung durch die Siedlung

Dass die Genossenschaft schon lange alles Mögliche unternimmt, um eine Unterschutzstellung der Siedlung zu verhindern, ist bekannt  – „kommuniziert“ z.B. durch die Veranstaltung mit Herrn Klier, SPD, und die Publikationen  von Herrn Pochnicht (SPD-Bürgerschaftsabgeordneter und Aufsichtsrat der Gartenstadt Hamburg e.G.) im Berner Boten.
Bisher wurde diese Politik vor allem mit der Fürsorge für die Nutzer begründet (Freiraum bei baulichen Veränderungen, Vermeidung von Mehrkosten durch Denkmalauflagen).

Inzwischen ist deutlich, dass es dem Vorstand unserer Genossenschaft vielmehr um seine „Gestaltungsfreiheit“  (Zitat) geht, sprich: Vermeidung z.T. notwendiger, teurer Instandhaltungsmaßnahmen, und mittelfristig Neubebauung und Verdichtung der großzügigen Grundstücke, zumindest in Abschnitten.
Die Genossenschaft hat definierte Ziele – konform mit den Interessen der Wohnungswirtschaft, den Dachverbänden, und die SPD freut`s.

Und nunmehr auf der anderen Seite der Genossenschaft stehen die Bewohner der Siedlung, die mit viel Liebe, Überzeugung und Geld den Erhalt und die Pflege der Häuser betreiben, die zum wirtschaftlichen Wohlergehen der Genossenschaft erheblich beigetragen haben, da sie sehr hohe Eigenleistungen erbringen, die jetzt auf dringend überfällige Instandhaltungskonzepte warten, die sich wundern über mehr als zweifelhaft ausgeführte Mängelbeseitigungen, über fehlende Bereitschaft zur Transparenz seitens des Vorstandes der Genossenschaft, und über das scheinbar gleichgültige Inkaufnehmen des fortschreitenden Vertrauensverlustes seitens der Nutzer.

Wir halten die Gartenstadtidee für erhaltenswert und schutzwürdig,

wir denken nicht egoistisch, weil wir nämlich dieses Konzept (der günstigen Nutzungsgebühr gegen hohe Eigenleistung) auch den nachfolgenden Generationen erhalten möchten.
Wir halten das Wohnen im Grünen mit viel Natur und der Möglichkeit zur Selbstversorgung für modern und zukunftweisend.
Und wir wollen einen Genossenschaftsvorstand, der sich zu der Verantwortung für den Ursprung der Gartenstadt Hamburg bekennt: in Form der genossenschaftlichen Solidarität und  Fairness, und der erhaltenswürdigen Gartenstadtidee.

Initiative Siedlung Berne

Ein Gedanke zu “„Arme, gebeutelte Gartenstadt…“ Oder: wie kann ich mit allen Mitteln eine Unterschutzstellung der Siedlung Berne verhindern?

  1. Liebe Verantwortliche der Initiative,

    endlich Klartext im Sinne der meisten Siedlungsbewohner, DANKE!!!

    Diese Darstellung war/ist wirklich erforderlich, da die „Gegenseite“ nichts unversucht lässt, ihre Interessen in der Öffentlichkeit zu vertreten!!

    Weiter so!!

    Gruß

    Hans Köhler

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