Abriss trotz Denkmalschutz?

Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Olaf Duge (GRÜNE) vom 05.03.13 und Antwort des Senats

Aus der Drucksache 20/7135,  20. Wahlperiode 12.03.13 der
BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG

Betr.: Gartenstadtsiedlung Berne: Abriss trotz Denkmalschutz?

Die Gartenstadtsiedlung Berne wird als erkanntes Denkmal geführt und würde bei Beschlussfassung des Senatsentwurfes zum neuen Denkmalschutzgesetz – auch mit den eingebrachten Änderungen der SPD-Fraktion – als eingetragenes und damit als geschütztes Denkmal geführt. Schon vor mehreren Jahren haben sowohl der Bezirk Wandsbek als auch das Denkmalschutzamt versucht, die historisch und gestalterisch bedeutsame Siedlung als Denkmal in die Denkmalschutzliste einzutragen, wobei sogar die von der Genossenschaft selbst erstellten Regelungen, die dort seit Jahrzehnten zum Erhalt der Siedlung selbstverpflichtend angewandt werden, als Handlungsrichtlinie für eine unter Denkmalschutz gestellte Gartenstadtsiedlung Berne gelten sollten.

Doch alle Versuche, die Siedlung unter Denkmalschutz zu stellen, scheiterten am Widerstand des Vorstandes der Wohnungsgenossenschaft Gartenstadt Hamburg, der mehrfach schon mit gerichtlichen Klagen drohte, sollte die Siedlung unter Denkmalschutz gestellt werden.

Nun hat der Vorstand der Wohnungsgenossenschaft Gartenstadt Hamburg auf einer genossenschaftsinternen Veranstaltung verkündet, dass 94 Prozent der Gartenstadt Berne unter Denkmalschutz gestellt und 6 Prozent nicht unter Denkmalschutz gestellt würden, wodurch quasi mit einem baldigen Abriss der Gebäude und einer Neubebauung zu rechnen ist. Bei den Prozentangaben bezog sich der Vorstand offenbar auf die bisher als erkanntes Denkmal erfasste Fläche der Gartenstadt Berne.

Ich frage den Senat:

1. Gibt es irgendeine Absprache oder Vereinbarung seitens des Senats beziehungsweise der zuständigen Stellen mit der Genossenschaft Gartenstadt Hamburg, auf die sich der Vorstand bei seiner Angabe, dass 6 Prozent der Gartenstadt Berne nicht unter Denkmalschutz gestellt werden, berufen kann?

Wenn ja,
a. Wie lautet diese Vereinbarung oder Absprache?
b. Worauf beziehen sich die Prozentangaben (auf die Fläche, die Wohneinheiten, die Gebäude oder anderes)?
c. Welcher Teil der Gartenstadtsiedlung soll nicht unter Denkmalschutz gestellt
d. Mit welcher Begründung soll – nachdem das Denkmalschutzamt die gesamte Siedlung als eingetragenes Denkmal erfassen wollte – ein Teil der Siedlung vom Denkmalschutz ausgenommen werden?

Antwort des Senats:

Zwischen der für den Denkmalschutz zuständigen Behörde und dem Vorstand der Genossenschaft finden seit Längerem intensive Gespräche statt. Bei der Überprüfung der Überlieferungsfähigkeit des Ensembles Gartenstadt Berne wurde festgestellt, dass die Gebäude des Siedlungsteils zwischen Berner Heerweg, Saseler Straße, Meiendorfer Stieg und Berner Brücke aufgrund von Bauschäden nicht mit angemessenen Mitteln dauerhaft überlieferungsfähig sind. Diese Fläche, die circa 6 Prozent der Wohneinheiten der Gartenstadt Berne aufweist, wird daher vom Denkmalschutz ausgenommen.

(…)

5. Wie darf bei Unwirtschaftlichkeit im Falle des Abrisses in der Gartenstadtsiedlung Berne gebaut werden
a. im denkmalgeschützten Bereich,

Antwort des Senats:
Die Neubauten müssen sich in das Ensemble einfügen.

 b. im Bereich, der vom Denkmalschutz ausgenommen werden soll?

Antwort des Senats:
Im nicht vom Denkmalschutz betroffenen Bereich richtet sich die Bebauung nach dem gegenwärtigen Recht (Baustufenplan Farmsen mit bis zu zweigeschossiger offener Bauweise).

Ende der Anfrage von Olaf Duge und der Antwort des Senats (Auszüge)

Vollständige Anfrage und Antwort des Senats als PDF laden

Ein Gedanke zu “Abriss trotz Denkmalschutz?

  1. Kommentar von H. Windscheid

    Die schlimmsten Befürchtungen hinsichtlich des neuen Denkmalschutzes sind wahr geworden.

    Besonders die Antwort auf Frage 5 macht deutlich: nicht nur die Insel ist bedroht, sondern die ganze Siedlung. Da der Vorstand niemals ein aussagekräftiges Gutachten der Häuser auf der Insel hat erstellen lassen und trotzdem eine Regelung mit der Denkmalbehörde aushandeln konnte, die die Wirtschaftlichkeit (Sanierungskosten) als Kernkriterium für möglichen Abriss beinhaltet, ist zu erwarten, dass jedes Haus der Siedlung abgerissen werden kann – wenn die Gartenstadt dies will. Und es gibt kaum Möglichkeiten, sich dagegen zu wehren.
    Seit Jahrzehnten werden die Mitbestimmungsrechte der Mitglieder immer weiter beschnitten. Satzungsänderungen haben dazu geführt, dass es für einfache Mitglieder kaum mehr nachvollziehbar ist, aus welchen Gründen Entscheidungen getroffen werden. Die Vertreterversammlung ist zum Erfüllungsgehilfen des Vorstandes geworden. Desinteresse an der Mitbestimmung der Mitglieder hat dazu geführt, dass Fragen nicht beantwortet, kritische Mitglieder abgekanzelt und von transparenter Geschäftsführung nicht mehr die Rede sein kann. Hier wird das funktionsfähige Modell einer Gartenstadtsiedlung dem Profitstreben einer Wohnungsgenossenschaft und dessen Organen (Vorstand, Aufsichtsrat und Vertreterversammlung) geopfert. Die Bezeichnung Genossenschaft sollte man in diesem Zusammenhang besser nicht mehr benutzen, denn genossenschaftlich geht anders.
    Welche Gebiete werden wohl als nächste dem Mammon geopfert werden? Als unwirtschaftlich erklären kann man ja fast alles – wenn man diese Behauptungen nie beweisen muss, weil die zuständige Behörde sich dem Wohnungsbauprogramm des Senats längst kampflos ergeben hat und lieber einem Abriss zustimmt, damit die Wohnungsbauunternehmen nicht aufhören, Wohnungen zu bauen. Werden also in den nächsten Jahren alle kleineren Siedlungshäuser abgerissen, um auf den Grundstücken verdichtend zu bauen? Oder reicht es, „denkmalverträglich nachzuverdichten“, wie es die SPD ausdrücklich vorsieht?
    So oder so, vermutlich sieht die Siedlung dann bald aus wie ein Schweizer Käse. Mit Denkmalschutz hat das (dann) nichts mehr zu tun. Da nützt uns das neue Denkmalschutzgesetz gar nicht – im Gegenteil: es definiert klar und unmissverständlich, mit welcher Begründung man Teile eines Denkmales für immer zerstören kann.

    H. Windscheid

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