Brief von R. Niemeyer an alle Vertreter der Gartenstadt Hamburg eG

Die nachfolgende Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Autors.
Redaktion Initiative Siedlung Berne


4.11.2013
Über die Genossenschaft an alle Vertreter der Gartenstadt Hamburg eG
Stellungnahme von Ralf Niemeyer

Liebe Genossen,

einzelne Genossen und der Vorstand befassen sich mit der neuen Führungskultur in der Genossenschaft und dem offenbar geplanten Abriss der Häuser auf der Insel. Dies wurde auch auf alle Vertreter der Siedlung ausgeweitet. Als Vertreter des Wahlkreises 1 wurde ich gebeten, Stellung zu beziehen. Wenn auch etwas spät, so möchte ich mich klar für die Genossenschaft und gegen das neue Verhalten des Vorstandes und des Aufsichtsrates aussprechen.

Bis zu dem Nutzungsgebühren-Erhöhungsbegehren der Genossenschaft in 2009 habe ich geglaubt, Vorstand und Aufsichtsrat würden die Genossenschaft im Sinne der Genossen führen. Heute bin ich davon überzeugt, dass aus unserer Genossenschaft ein Wirtschaftsunternehmen geworden ist, in dem wir nur noch als lästige Mieter und nicht als Miteigentümer angesehen werden. Auch die Richterin in meinem Rechtsstreit mit der Gartenstadt hat mir erklärt, dass sie nur nach „Mietrecht“ urteilt und wir uns selbst darum kümmern müssen, unsere Vertreter auf unseren Willen einzuschwören. Dabei sind die Vertreter der Genossenschaft nur die drei Vorstandsmitglieder. Die Vertreterversammlung hat keine Rechte außer der Wahl des Aufsichtsrates, der dann den Vorstand wählt.

Ich stellte fest, dass die Genossenschaft von einigen, wenigen Familien „regiert“ wird, die über die Jahre ihre Angehörigen in der Vertreterversammlung, dem Aufsichtsrat und dem Vorstand positioniert hatten. Inzwischen bestimmten Menschen die Genossenschaft, die nicht einmal in Hamburg lebten. Ich glaube nun auch den Gerüchten, dass der neue Aufsichtsratsvorsitzende erst vor wenigen Jahren als Freund unseres Vorstandsvorsitzenden Mitglied der Genossenschaft wurde. Auch er wohnt außerhalb der Genossenschaft und wurde kurz nach seinem Beitritt in den Aufsichtsrat gewählt. Es scheint, als würde die Genossenschaft unterwandert. Jeder von uns sollte sich mehr für die Genossenschaft interessieren und hier engagieren, um sie nicht zu einem Wirtschaftsunternehmen werden zu lassen. Als Eigentümer sollten wir bestimmen und uns nicht von Fremden lenken lassen.

Heute werden – vorgeblich mit rechtlichen Mitteln (denn der heutige Aufsichtsratsvorsitzende war oder ist Richter) – die Mitglieder durch juristische Winkelzüge in ihren bisherigen Rechten beschnitten. Als Beispiel möchte ich hier auf die letzte Mitgliederversammlung verweisen, in der offenbar unerwünschte Anträge und Fragen nicht und/oder erst nach der Wahl der neuen Aufsichtsratsmitglieder veröffentlicht wurden, weil sie nicht fristgerecht eingereicht worden seien. Unser Unwissen über die Rechtmäßigkeit solcher Aussagen – auch wenn es in der Vergangenheit nie so gehandhabt wurde – wird uns zum Nachteil. Auch die Kürzung der Rechte der Inselbewohner, durch Rücknahme der Vererbbarkeit der Häuser zu Lebzeiten der Nutzer, ist sehr fragwürdig. Ich bin fest davon überzeugt, dass Vorstand und Aufsichtsrat damit den weiteren Verfall der Insel beschleunigen wollen, weil es sich jetzt für die Nutzer nicht mehr lohnt, die Häuser für ihre Nachkommen zu erhalten. Ich halte dies nicht nur für eine ungerechte Benachteiligung der Inselbewohner (zwischen dem Berner Heerweg und Meiendorfer Stieg) sondern auch für eine gezielte Maßnahme unseres Vorstandes, die Aussage vor dem Denkmalschutzamt, (sinngemäß:) „die Häuser auf der Inselfläche seinen in einem schlechteren baulichen Zustand, als die restlichen Häuser der Siedlung“, nachträglich wahr zu machen.

Ich bin Mitglied der Bestandsgruppe, die offenbar nur zur Legitimation des Vorstandes und des Aufsichtsrates und ohne jegliche Rechte ins Leben gerufen wurde. Dort waren am 16.10.13 ein Architekt und ein Statiker eingeladen, die uns insbesondere bei Sanierungsfragen und zu der Notwendigkeit kostenintensiver Bohrproben beraten sollten. Herr Witt hatte ein Bild aus dem Haus im Berner Heerweg 476 gezeigt, wo von einem Träger der Beton abgeplatzt und der Stahl erkennbar war. Auf meine Frage, wie mit solchen erkannten Schäden umgegangen werden sollte, antwortete der Statiker, dass sie behoben werden müssten. Auf meine Nachfrage, ob es sinnvoll wäre, damit 4 Jahre zu warten, erklärte er, dass dies möglichst unverzüglich passieren müsste, um weitere Schäden zu vermeiden. Dies war im Protokoll nicht aufgenommen worden und ich stellte in dem nächsten Treffen am 30.10.13 den Antrag, dies nachzuholen. Während der Diskussion über die korrekte Formulierung meines Antrages rutschte dem stellvertretenden Aufsichtsratsvorsitzenden, Herrn Lars Pochnicht, heraus: „Die Genossenschaft hat vor 1 ½ Jahren schon beschlossen, das Haus 476 abzureißen!“. Leider sagte er dies nur zu mir und außerhalb der Diskussion, nicht laut und öffentlich. Erst auf meine Nachfrage, ebenfalls außerhalb der Diskussion und an ihn gerichtet, ob dies wirklich wahr sei, schien er sich seiner Aussage bewusst zu werden und gab keine Antwort mehr. Mein Antrag zum Protokoll wurde in dem Ausschuss, der von Vorstands- und Aufsichtsratsmitgliedern dominiert wird, abgelehnt.

Es war nicht das erste Mal, dass das Protokoll im Sinne von Vorstand und Aufsichtsrat geschönt wurde. Bereits bei unserer ersten Sitzung hatte ich darauf hingewiesen, dass zumindest in einem der leerstehenden und nicht wieder vermieteten Häuser auf der Insel, Wasser im Keller stand und dies zu einem schnelleren Verfall des Hauses beitragen könnte. Dankenswerter Weise wusste ein Aufsichtsratsmitglied zu berichten, dass dies sogar in zwei Häusern der Fall war. Auch dies wurde zunächst nicht protokolliert. In der darauf folgenden Sitzung wurde dies dann zwar zum Protokoll aufgenommen, fand sich aber im Ausdruck der Nachbesserung nicht wieder. Es sollte nun zumindest als Anhang des zweiten Protokolls zu finden sein, dem ebenfalls wegen diverser Differenzen nicht zugestimmt wurde und dem lediglich die dazu per e-mail eingereichten Änderungsvorschläge angehängt werden sollen.

Der stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende bestätigte die Aussage, die ein Vorstandsmitglied zuvor schon in der Bestandsgruppe gemacht hatte. Herr Klostermann hatte zu einer Sanierung auch schon die Alternative „Schreddern“ in den Raum gestellt. Es scheint, Vorstand und Aufsichtsrat haben bereits eine vorgefasste Meinung zum Abriss der Insel. Sie wollen den Abriss offenbar durch Untätigkeit notwendig werden lassen. Bereits in der letzten Vertreterversammlung habe ich sie deshalb und wegen der ungerechten Änderung der bisher gängigen Weitergabemöglichkeit der Siedlungshäuser an Angehörige, nicht entlastet. Ich glaube, der Vorstand und der Aufsichtsrat überschreiten damit ihre Kompetenzen. Eine so gravierende und auch wirtschaftlich relevante Änderung der bisherigen Regelungen ist für mich nicht akzeptabel.

Der Umgang des Vorstandes mit den Genossen ist wenig hilfreich. Die Vertreter werden schlicht nicht informiert und sollen auch nicht als Vertreter der Genossen, sondern lediglich im Eigeninteresse als gewählter Querschnitt aller Genossen einmal jährlich für Vorstand und Aufsichtsrat abstimmen. Dies wird vielen Vertretern durch den eingangs dargestellten Einfluss weniger Familien erleichtert, die durch ihre privaten Verbindungen zu den (Familien-,) Vorstands- und Aufsichtsratsmitgliedern entsprechend informiert werden können. Wer sich nicht selbständig, aktiv informieren kann, muss auf Grund weniger, gefilterter und mitunter unvollständiger – um nicht zu sagen falscher – Informationen Entscheidungen treffen.

Den Nutzern der Insel-Häuser kann ich nur raten, sich zusammen zu schließen und Öffentlichkeit zu suchen. Alle anderen Siedlungsbewohner sollten sich mit den Insulanern solidarisieren, denn auch „Blakshörn“/„Lienaustraße“, „Pferdekoppel“/„Kleine Wiese“ oder „Berner Heerweg“ bis „Kornpfad“ oder sogar bis „In den Saal“ könnten Inseln werden! Ich möchte mir nicht vorstellen, wie sich die dort lebenden Genossen fühlen, wenn „deren“ Gebiet ebenfalls auf Grund der bekannten Bauschäden von Nutzern leergezogen wird… So ungewiss, wie es den Nutzern auf der Inselfläche jetzt geht, kann es jedem von uns gehen, wenn einzig und allein der Profit und nicht der genossenschaftliche Gedanke im Vordergrund steht. Auch die neue Bebauung unserer Gärten wäre zulässig! Davor schützt uns der Denkmalschutz nicht! Dafür bieten sich die großen Flächen zwischen „Saselheider Weg“/„Beim Fahrenland“ an. Von „Hohenberne“ aus könnte man Pfeifenstielgrundstücke erreichen. Auch andere Quartiere wie die „Rotdornallee“ oder die „Dreieckskoppel“ könnten neu bebaut werden. Deshalb brauchen wir aktive Genossenschaftsmitglieder, die sich engagieren und die Genossenschaft nicht in fremde Hände fallen lassen.

Ich bin gegen den Abriss oder die Umgestaltung der Berner Siedlung und bin dagegen, die Rechte der Nutzer von Siedlungshäusern zu schmälern. Viele haben sechsstellige Summen in die Häuser investiert und rechtfertigen damit die niedrigen Nutzungsgebühren, die (eigentlich) nur für Häuser ohne Bad und ohne Heizung, mit Hühner- und Schweinestall berechnet werden sollten. Ich bin dafür, Nutzungsgebühren bezahlbar zu halten und keine „Mieten“ von € 12,50 pro qm anzustreben („Ole Wisch“), die sich die wenigsten Genossen leisten könnten.

An den Fenstern unseres Hauses habe ich Schilder zum Zeichen der Solidarität mit den Inselbewohnern aufgehängt.

Ich stelle mich öffentlich gegen das, was mir als Ungerecht erscheint und bin auch gern bereit, andere Meinungen als meine eigene gegenüber dem Vorstand und Aufsichtsrat zu vertreten, wenn man mich darum bittet. Es würde mich freuen, wenn dieses Schreiben auch in die Hände von Genossen käme, die nicht in der Siedlung wohnen. Es ist auch für sie wichtig, dass die Siedlungsbewohner sich gegen ständige „Miet-“ Erhöhungen wehren und dass die Siedlung seit Jahren Gewinne in Millionenhöhe abwirft und damit auch Sanierungen und Neubauvorhaben der gesamten Genossenschaft unterstützt. Sie müssen wissen, dass in Berne Siedlungshäuser leer stehen, die nicht angeboten, sondern verfallen gelassen werden.

Mit genossenschaftlichen Grüßen

Ralf Niemeyer

Ein Gedanke zu “Brief von R. Niemeyer an alle Vertreter der Gartenstadt Hamburg eG

  1. Liebe Genossen in Berne, dieses Schreiben entspricht genau auch unseren Erfahrungen mit unserem Aufsichtsrat und Vorstand. Für die Schiffszimmerer Gen. gibt es auch keine Mitinhaber, denen man ein Mitspracherecht einräumt. Laut Vorstand gibt es nicht einmal eine Informationspflicht. Die Vertreter dürfen aber immerhin die Hand zur Entlastung des Aufsichtsrats/Vorstand heben und das bei Kaffee und Kuchen. Unser „Aktionskreis Spannskamp“ kämpft daher für den Erhalt des Genossenschaftsgedankens und gegen eine Nachverdichtung unserer Siedlung. Selbst eine Unterschriftensammlung von 500 Gegenstimmen zum Bauvorhaben und der Vernichtung von ca. 60 Bäumen wird ignoriert.
    Es wird scheinheilig argumentiert, dass wir Sozialwohnungen brauchen, in 2012 wurden nur 6,1 % in Eimsbüttel gebaut, es wird nicht berücksichtigt, dass wir in einem anerkannten schadstoffbelasteten Umfeld ( 2 Ausfallstr. 2 Einflugschneisen, Autobahn A7) leben. Ebenso ist es für den Vorstand nicht interessant, dass bereits jetzt etwa 900 Menschen bei einer Strassenlänge von ca. 250 m wohnen. Damit ist erkenntlich, dass aus unserer Genossenschaft ein Wirtschaftsunternehmen geworden ist und das mit unserem Geld. Erstaunlich für uns ist, dass der Vorstand um 1 Person erweitert und für die Öffentlichkeitsarbeit eine weitere eingestellt wurde. Damit wird das Verwaltungsbudget sich um etliche 100.000 € erhöhen. Die Frage taucht immer wieder auf, wie man sich gegen diese Machenschaften wehren kann.
    Es war mir ein Bedürfnis,von uns aus dem Spannskamp zu berichten.

    Mit genossenschaftlichen Gruß
    Klaus Rentel

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