Warnung vor Profitorientierung

Berlin: Initiative „Genossenschaft von unten“ mahnt Vorstände der Wohnungsgenossenschaften, Rechte der Mitglieder zu achten

Ein Beitrag von Jana Frielinghaus (junge Welt, 09.09.14/Inland/Seite 5) – hier veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung des Verlags.
Online-Fassung des Artikels: http://www.jungewelt.de/2014/09-09/042.php?sstr=Profitorientierung

Die Berliner Initiative „Genossenschaft von unten“ hat sich mit einem Brief (Anm. der Redaktion: Brief hier als PDF laden) an die Vorstände der 83 Berliner Wohnungsgenossenschaften sowie an den Vorstand des Verbandes Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU) gewandt. Der Grund: Auch in den Firmen der Immobilienbranche, die ausschließlich der Förderung ihrer Mitglieder verpflichtet sein sollten, geht der Trend seit Jahren zu Mieterhöhungen, die sich an der allgemeinen Preisentwicklung orientieren. Sprich: Sie sind alles andere als sozialverträglich.

Im Brief heißt es, viele Unternehmen nutzten die große Nachfrage nach Wohnraum, um „die Mieten systematisch zu erhöhen“. Auch die Vorstände einiger Genossenschaften seien dazu übergegangen, „die Nutzungsentgelte planmäßig zu erhöhen“. Es würden „Mietkonzeptionen ausgearbeitet, die nicht von der Mitglieder- oder Vertreterversammlung beschlossen, sondern von den Vorständen erlassen werden“, kritisieren die Verfasser.

Dem setzt die Initiative von Mitgliedern und Vertretern der Berliner Wohnungsgenossenschaften eigene Grundsätze für solche Konzeptionen entgegen, die im August erarbeitet und den Vorständen zusammen mit dem Brief Anfang September zugesandt wurden. In dem Schreiben erinnern die Aktivisten daran, daß Genossenschaften „im Unterschied zu kommerziellen Vermietern ihre Wohnungen nicht bauen, um sie auf dem Wohnungsmarkt anzubieten, um ihr Kapital zu verwerten und eine Rendite zu erzielen, sondern zur Versorgung ihrer Mitglieder, die als Miteigentümer ein Nutzungsentgelt zahlen, das die Kosten deckt“.

Sie rufen dazu auf, die „Grundsätze einer Mietkonzeption“ im Genossenschaftsforum oder anderen Gremien der Vorstände und auf Mitglieder- oder Vertreterversammlungen zu diskutieren. Danach soll in den Satzungen als Zweck der Genossenschaften die „Förderung ihrer Mitglieder, vorrangig durch eine gute, sichere und sozial verantwortbare Wohnungsversorgung“ festgeschrieben werden. Die Nutzungsentgelte müßten so gestaltet werden, „daß dem Mitglied sein Dauernutzungsrecht auf Lebenszeit erhalten bleibt“. Modernisierung darf den Grundsätzen zufolge „in keinem Falle zur Vertreibung der Mitglieder und Mieter“ führen – und sie bedarf der Zustimmung der Mitglieder. Die Nutzungsentgelte dürften sich ausschließlich an den Kosten zur Erhaltung des Bestands und zur Wohnwertverbesserung orientieren. „Luxussanierungen“ werden abgelehnt. Neubauten sollen laut Vorschlag der Initiative generell nur nach Zustimmung durch General- oder Vertreterversammlung zulässig sein, deren „Querfinanzierung“ durch Erhöhung der Mieten in den Bestandswohnungen müsse ausgeschlossen werden.

Bislang hat weder einer der Vorstände noch der BBU: auf die Vorschläge reagiert, wie Sigurd Schulze von „Genossenschaft von unten“ auf jW-Anfrage berichtete. Gegenüber BBU-Vorstandsmitglied Maren Kern hatte die Initiative auch angeregt, die „Grundsätze“ auf dem nächsten Genossenschaftskongreß der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Immobilienwirtschaft Ende Oktober zur Diskussion zu stellen. Laut bereits vorliegendem Programm der Tagung ist dies jedoch nicht vorgesehen.

Jana Frielinghaus

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