7.600 Euro Zuschuss verlagern den Berner Denkmalkrieg

Artikel von Axel Ritscher im Hamburger Abendblatt vom 4.3.2016

Die bauwillige Berner Genossenschaft kann Denkmäler aus ihrer Gartenstadt „weg rechnen“ – und verzichtet fürs Erste darauf – abreißen will sie woanders

Mit einem Zuschuss von 7.600 Euro retten Kulturbehörde und Denkmalschutzamt ein geschütztes Haus in der Berner Siedlung vor dem Abriss. Alles scheint gut. Es befriedet den zähen Poker um die kleine, seit einem Jahr leer stehende Doppelhaushälfte Rooksbarg 4 in Hamburgs größtem, denkmalgeschützten Ensemble. Aber der heftige Streit unter den Eigentümern, den Mitgliedern der „Genossenschaft Gartenstadt Hamburg eG“, geht nur in die nächste Runde. (…)

Hier geht es zum Artikel (Abruf zeitweilig kostenpflichtig):
http://www.abendblatt.de/hamburg/wandsbek/article207123503/7600-Euro-Zuschuss-verlagern-den-Berner-Denkmalkrieg.html

Denkmalschutzamt rettet Siedlungshaus vor dem Abriss!

Die gute Nachricht vorweg: Das Siedlungshaus im Rooksbarg ist vor dem Abriss gerettet. Das Denkmalschutzamt übernimmt die insgesamt fehlenden 7.600 Euro, (gerechnet über einen Zeitraum von 10 Jahren), um die Wirtschaftlichkeit der Sanierung für die Genossenschaft herzustellen.

Oder anders herum gesagt: wegen fehlender 7.600 Euro wollte die Genossenschaft das denkmalgeschützte Haus abreißen und durch ein Fertighaus ersetzen.

Fragt sich: Wie schlecht muss es der Genossenschaft gehen, dass sie wegen einer Unterdeckung von 7.600 Euro in 10 Jahren die Unwirtschaftlichkeit anmeldet?
Oder steht noch ein anderes Interessen dahinter?

Auf der Mitgliederfragestunde im Sommer 2015 musste man schon sehr genau zuhören, um diese Information herauszufiltern. Es war ein Schock für alle, die es verstanden hatten: die Genossenschaft hat längst auch für ein Haus auf dem denkmalgeschützten Bereich den Abriss vorgesehen. Während alle mit der Diskussion um die Zukunft der Dreiecksfläche beschäftigt sind, hat die Geschäftsführung die von ihr im Denkmalvertrag erzwungene Regelung der „wirtschaftlichen Einzelfallbetrachtung in Ensembles“ schon mal angewendet. Diese Regelung bedeutet, dass jedes denkmalgeschützte Haus im Ensemble abgerissen werden kann, wenn es die Kosten seiner Sanierung nicht allein wirtschaftlich darstellen kann. Und das unabhängig davon, wie es zu den Sanierungskosten kommt, und auch, wie wirtschaftlich das Ensemble oder gar die ganze Genossenschaft ist. Eine Neuheit im bundesweiten Denkmalschutz, ein „Verdienst“ unserer Genossenschaft und ihrer politischen Freunde, und ein Todesurteil für den Ensembleschutz.

Dass es unserer Genossenschaft damit Ernst ist, zeigte sie jetzt am Beispiel Rooksbarg. Der Nutzer der schwammbefallenen Haushälfte durfte lange Zeit mit niemandem darüber sprechen,  er wurde in einer auf dem freien Markt angemieteten Wohnung für ca. 900 Euro im Monat untergebracht. Der Bewohner der anderen Haushälfte wurde zur Unterredung ins Schloss eingeladen, wo ihm ein „attraktives Fertighaus“ nach dem Abriss seines denkmalgeschützten Siedlungshauses in Aussicht gestellt wurde (zwar zu höherer Nutzungsgebühr, aber mit modernerster Dämmung).

Schließlich wendete sich unsere Genossenschaft an das Denkmalschutzamt und erklärte die Unwirtschaftlichkeit der Sanierung im Rooksbarg. Ziel des Denkmalschutzamtes ist natürlich der Erhalt des Denkmals – also muss zunächst es die vom Eigentümer vorgelegten Kosten prüfen. Mit den Worten unserer Geschäftsführung heißt das: Die Genossenschaft hat die Absicht, das denkmalgeschützte Siedlungshaus wegen Unwirtschaftlichkeit abzureißen und durch einen Neubau zu ersetzen. Wenn das Denkmalschutzamt das Haus erhalten möchte, soll es das bezahlen. Ideen für den Neubau von Fertighäusern an der Stelle alter Siedlungshäuser gibt es schon.

Das Ergebnis dieser Überprüfung durch das Denkmalschutzamt fällt nun überraschend aus: Nach Überprüfung der vorgelegten Berechnungen fehlen nun tatsächlich nur 760 Euro im Jahr, über 10 Jahre gerechnet – also die erwähnten 7.600 Euro insgesamt. Die zahlt das Amt gern.

Und was sagt uns das?
Wir glauben kaum, dass der Genossenschaft diese 7.600 Euro tatsächlich fehlten. Eher fehlt es unserer Genossenschaft  an dem Willen und der Überzeugung, den Bestand um seiner selbst Willen und für uns Genossen zu erhalten. Stattdessen lässt sie es  auf einen Poker mit dem Denkmalschutzamt ankommen. Diesen jetzt so darzustellen, als hätte man sanieren wollen, aber nicht können, weil sich das Denkmalschutzamt erst „entschließen musste, einen Zuschuss zu gewähren“ (vgl. homepage der Gartenstadt Hamburg eG), ist schon hart an der Grenze des Zumutbaren.

Unsere Meinung:
Dass Verunsicherung der Mitglieder, Mietausfall, Nebenkosten und Zeitverzug seitens der Genossenschaft in Kauf genommen werden, ist das Eine. Dass die Genossenschaft nun in einem Probelauf gelernt hat, wie die Einzelfallbetrachtung funktioniert und was es braucht, um abzureißen, ist das Andere.
Taktisch und kaufmännisch ist das allles vielleicht clever, aber für eine Genossenschaft mehr als fragwürdig. Um nicht zu sagen abgründig.
Gut, dass wir wenigstens hier die Kontrollfunktion des Denkmalschutzamtes hatten.

Initiative Siedlung Berne

Erhaltet die Schule Berne! und: Was die Schule mit der Siedlung gemeinsam hat…

Auf der Podiumsdikussion am 3.2.16 kamen einerseits wieder die vielen guten Argumente zur Sprache, die selbstverständlich für den Erhalt des Schulstandortes Lienaustraße in der Siedlung Berne sprechen. Was man an dem Abend aber auch vor Augen geführt bekam, waren die taktischen Manöver, mit denen seit langem von oben gegen den Schulstandort gearbeitet wird – ohne dass dies aber offen als politische Absicht zugegeben und damit verantwortet wird.

Das fängt bei der Beeinflussung der Anmeldezahlen durch schlechte Außenwerbung, Desinformation und konkrete Ablehnung Anmeldewilliger an. (Das Ergebnis sind irgendwann tatsächlich sinkende Zahlen und damit scheinbare Sachzwänge).

Das betrifft die angeblichen Sanierungskosten für das Schulgebäude. Dabei fallen die geschätzten Kosten sehr unterschiedlich aus, offensichtlich gibt es kein verlässliches und allen zugängliches Fachguten.

Außerdem ist offensichtlich, dass in dem Schulstandort Jahre, wenn nicht Jahrzehnte die angemessene Instandhaltung unterlassen wurde. Die jetzt anfallenden Kosten sind also eine logische Konsequenz und liegen in der normalen, zumutbaren Verantwortung der Eigentümerin (sollte man meinen). Oder, mit den Worten einer Podiumsteilnehmerin: Entgegen der Darstellung der Schulbehörde ist die Schule Lienaustraße kein teurer Standort, sondern – im Gegenteil – ein überaus billiger. (Nur, dass die nun aufgelaufenen Kosten jetzt gegen die Schule verwendet werden, um sie abstoßen zu können.)

Und zuletzt: solange kein bindender Beschluss gefällt ist, ist formell immer noch „alles offen“. Damit lässt sich wunderbar Kritik fernhalten, Unzufriedene und Skeptiker mundtot machen, und Naive lassen sich täuschen, denn: formal mag der Beschluss noch nicht rechtskräftig sein, in der Praxis ist er so gut wie vollzogen.

Das gleiche Prinzip zeigt das Wortspiel um die Schulschließung, die es, so die Vertreterin der Schulbehörde an dem Abend, gar nicht gibt (!) – aber nicht etwa, weil man die Lienaustrasse doch nicht schließen will, sondern weil es sich dabei um eine Standortschließung handelt, und nicht um eine Schulschließung.

Wer ernsthaften, engagierten Eltern und Bürgern mit solchen rhetorischen Spitzfindigkeiten gegenübertritt, nimmt sie nicht ernst und hält die Kritik auf billige Weise von sich fern.

Ein Elternteil brachte es gegen Ende der Veranstaltung auf den Punkt:
An diesem Beispiel kann man lernen, wie man eine Schule dichtmacht.

Und was hat das mit der Siedlung Berne zu tun?

Es gehört nicht viel dazu, die Parallelen mit der Siedlung zu sehen:
Auch hier gibt es relativ alte Gebäude, in die sehr lange nicht viel investiert wurde, sodass Fachleute auf der Dreiecksfläche jetzt von Sanierungsstau sprechen. (Auch hier erscheinen manchen die jetzt veranschlagten Sanierungskosten als übermäßig hoch beziffert.) Diese über die Jahre angelaufenen Kosten geben nun das Argument für den Abriss her.

Auch hier gilt: die Siedlung ist keinesfalls teuer, wie immer noch viele denken, sondern seit geraumer Zeit überdurchschnittlich „billig“ für die Genossenschaft (und d.h. sogar überdurchschnittlich gewinnbringend).

Leerstände auf der Dreiecksfläche, Ungleichbehandlung und Verunsicherung führen zur sozialen Erosion. Der „Umbau“ ist so langfristig angelegt, dass die Aufmerksamkeit und Beachtung nachlässt, aber trotzdem seine Wirkung tut. Hauseigene „Negativschlagzeilen“ (von angeblicher Unzeitgemäßheit der Wohnform, fehlender Nachfrage, immensen Bauschäden etc. in der „Bei uns“) fördern ein negatives Image der Siedlung in der Gesamtgenossenschaft. Rückhalt schwindet.

Und die Kommunikation? Sie bedient sich der gleichen Werkzeuge wie im Fall Schule: formal gibt es keine „Pläne“, auch keine „Abrisspläne“ oder auch keine „Baupläne“ – also auch keine Angriffsfläche, seit 2011.

So gesehen ist alles offen. Formal vielleicht, in der Realität aber nicht.

Das aktuelle Votum des Vorstandes und des Aufsichtsrates für den Abriss der Häuser auf der Dreiecksfläche spricht für sich und wird seine Wirkung haben. Von Ergebnisoffenheit zu sprechen, ist lächerlich. (Wie die spitzfindige Unterscheidung in „Ideen“ und „Pläne“ – wie will man denn die Aussetzung der Vergaberichtlinien für die Dreiecksfläche 2013 bewerten: als Idee? Als Gedanke? Oder als Teil eines Planes?)

Wer einmal Erfahrungen mit diesen Argumenten und Strategien gemacht hat, erkennt sie schnell wieder und sieht, wie sich hier (und andernorts) die Bilder gleichen.
Irritierend ist allerdings, wenn Bürger und auch Verantwortliche in Genossenschaft und Politik sich kritisch und für den Erhalt der Schule einsetzen mit den gleichen Argumenten, die sie im Falle der Siedlung gegen den Erhalt verwenden.

So oder so:
Schule Berne und die Siedlung gehören zusammen und gehören beide erhalten –
Leidtragende sind sonst natürlich Kinder, die Familien, und der ganze Stadtteil.
Er verliert seine Mitte, seine Identität, und die Chance auf Bildung und Kultur vor Ort.

Wer will das?

 

Anne Dingkuhn