Aktuelles zu den Nutzungsgebühren der Siedlung Berne

… und der  Verquickung zwischen Mandat der Partei und Amt in der Genossenschaft

Anlässlich eines Offenen Briefes an Lars Pochnicht, Mitglied der Hamburger Bürgerschaft für die SPD und stellvertretender Aufsichtsrat in der Gartenstadt Hamburg e.G. Den ausführlichen Offenen Brief von Helmut Preller finden Sie
hier zum Download als PDF.

Lars Pochnicht ist Politiker der SPD und Mitglied der Hamburger Bürgerschaft.
Als solcher ist er den Parteizielen, und laut eigener Aussage insbesondere den Zielen des Hamburger Wohnungsbauprogrammes verpflichtet. Gleichzeitig ist Lars Pochnicht Stellvertretender Vorsitzender im Aufsichtsrat der Genossenschaft Gartenstadt Hamburg eG., und in dieser Funktion hat er die Aufgabe, die Tätigkeit des Vorstandes zu fördern und zu kontrollieren  – und zwar allein im Sinne und zu Gunsten der Mitglieder und des genossenschaftlichen Förderzweckes. Laut Herrn Pochnicht besteht angeblich kein Konflikt zwischen den beiden Tätigkeiten, eine Interessenvermischung sei nicht gegeben.

Wir sehen das anders:  
Anfang Januar  2013: Kurz vor Verabschiedung des neuen Denkmalgesetzes erreicht die SPD über ein Petitum, dass in denkmalgeschützen Ensembles (wie z.B. der Siedlung Berne) nachverdichtet werden darf (und sogar ausdrücklich erwünscht ist ). Außerdem ist neu, dass die Wirtschaftlichkeit einer Sanierungsmaßnahme sich am einzelnen Objekt innerhalb des Ensemble berechnet, egal, wie wirtschaftlich gesund das Ensemble als Ganzes, oder die Genossenschaft ist (sog. „Lex Berne“). Lars Pochnicht hat in der Bürgerschaft für diese Gesetzesnovelle gestimmt.
An der Stadtteilkonferenz  Farmsen-Berne am 17.2.14 hat Lars Pochnicht teilgenommen als  Mitglied der Hamburgischen Bürgerschaft (laut Anwesenheitsliste). In der Diskussion um die Genossenschaft Gartenstadt Berne hat er sich dann aber als Aufischtsratsmitglied geäußert, und zwar inhaltlich falsch. Er hat behauptet, dass die Vertreter der Genossenschaft darüber abgestimmt hätten, dass die Vergaberichtlinien für die sogenannte Dreiecksfläche ausgesetzt werden. Das ist falsch – der Vorstand hat allein entschieden (mit teilweiser Zustimmung des AR.)  Nachfragen von Mitgliedern bezüglich der Pläne für die Dreiecksfläche wurde nicht beantwortet,  und die Bitten um Beteiligung wurden nicht berücksichtigt.

In der Antwort Lars Pochnichts  auf die öffentlich gestellte Frage (Abgeordnetenwatch, 13.3.14 ) nach den auffälligen langfristigen Leerständen in der Siedlung Berne,  zeigt sich die „Schizophrenie“ der doppelten Funktionsträgerschaft Pochnichts.
Als Abgeordneter  finde er Leerstände in Hamburg schlecht,  und er kenne die genauen  Leerstände in den Wohnanlagen seines Wahlkreises nicht, und 2. als Aufsichtsratsmitglied kenne er die Leerstände in der Genossenschaft sehr wohl ( und diese werden von ihm befürwortet), und diese Anzahl  und Dauer der Leerstände  in der Genossenschaft sei aber nichtöffentlich….

Da fragt man sich: Was nützt ein von der Politik öffentlichkeitswirksam installiertes Wohnraumschutzgesetz, wenn die Parteiträger selbst nicht dafür sorgen wollen, dass es angewendet wird?

Am 15.1.15 wird Herr Pochnicht öffentlich um Stellungnahme gebeten zu den  Mietanhebungen  bei Neuvermietung in der Genossenschaft Gartenstadt Hamburg eG (s. Abgeordnetenwatch, 15.1.15). In der Antwort zeigt er, dass er im Zweifel als Aufsichtsrat zu Ungenauigkeit und sogar Falschdarstellung bereit ist.

Zu seiner Antwort:

  1. Die Frage nach der Mietanhebung ohne Gegenleistung (zB. Modernisierung) bei Neuvermietung in der Genossenschaft wird von ihm nicht beantwortet (trotz des tagesaktuellen Themas der Mietpreisbremse).
  2. Auch die Frage nach der sogenannten Zielnutzungsgebühr und der für Genossenschaften sehr fragwürdigen „Orientierung am Mietenspiegel“ bleibt unbeantwortet.
  3. Unserer Meinung nach  ist es unzulässig und unseriös, die vergleichsweise niedrig erscheinende Nutzungsgebühr für die Siedlungshäuser wie eine „Netto Miete“ darzustellen – die in Wirklichkeit nur einen Teil der tatsächlichen vergleichbaren Kosten darstellt – und  diese dann zum Mietenvergleich innerhalb und auch außerhalb der Genossenschaft heranzuziehen (oder eben auch mit dem Hintergrundsmotiv, damit einen vermeintlich  besonders niedrigen Mietendurchschnitt für unsere Genossenschaft auszuweisen).

Wie Herr Pochnicht sehr wohl weiß, gibt es in der Siedlung das sogenannte Dach- und Fach- Vermietungsmodell, bei dem (vereinfacht) die Nutzer zum einen mit den aufgeführten Nutzungsgebühren lediglich für die „Außenhülle“ und deren Erhalt aufkommen, zum anderen aber zusätzlich für alle Innenausbauten und Installationen selbst aufkommen, inkl. deren Instandhaltung und Modernisierung.
Nach dem letzten Gutachten (s. geschlossener Vergleich im Klageverfahren Gartenstadt gegen Mitglied Helmut Preller 2015), und den eigenen Angaben der Genossenschaft  s. VV  2015 liegt die tatsächliche vergleichbare Nutzungsgebühr (Zielnutzungsgebühr 4,75 €) zum Mietenspiegel also bei ca. 8,20 – 8,34 €, (bei Einblasdämmung 8,55 – 8,69 €).
Hier werden wider besseren  Wissens  von Herrn Pochnicht Äpfel mit Birnen verglichen.
Das hilft der Statistik, um günstiger im Mietendurchschnitt auszusehen als man ist, und es schadet der Siedlung, die ohnehin gegen den Ruf zu kämpfen hat, nicht wirtschaftlich zu sein. Was sie definitiv nicht ist – in den letzten Jahren wurde ca. 50% der Nutzungsgebühren als Überschuss erwirtschaftet – seit 1985 ca 60%.
Aber genau auf Grund solcher Falschdarstellungen und tendenziösen Aussagen (wenn z.B. von 2000 qm statt von 1000 qm mietfreiem Garten die Rede ist), wird Meinung gemacht, und  gleichzeitig auch politisch umgesetzt.

SPD und Genossenschaft heute:  eine Gartenstadtsiedlung als Baulandreserve, und das Erhaltenwollen gilt als „unsozial“?  (Zitat Pochnicht) – Auch die für das Stadtklima und die Bürger so wichtigen Kleingartenanlagen werden jetzt als „Baulandreserven“ angegriffen, wie jüngste Beispiele Hamburger Wohnraumpolitik zeigen.

Welche Seite vertritt Herr Lars Pochnicht?

Im Internet auf der Seite Abgeordnetenwatch.de haben Bürgerinnen und Bürger die Möglichkeit, Abgeordneten und Kandidaten Fragen zu stellen. So kann ein öffentlicher Dialog entstehen, der Transparenz und Verbindlichkeit von Politiker-Aussagen fördert. Ein Mitglied der Genossenschaft hat dem Bürgerschaftsabgeordneten und Aufsichtsratsmitglied der Genossenschaft Gartenstadt Hamburg Lars Pochnicht (SPD) eine Frage gestellt, die wir hier veröffentlichen.

Der nachfolgende Dialog kann hier nachgelesen werden: Link zum Abgeordnetenwatch / Lars Pochnicht

Frage zum Thema Städtebau und Stadtentwicklung, 13.03.2014 von Ellen Linnemann

Sehr geehrter Herr Pochnicht!
Als Bürgerschaftsabgeordneter für den WahlkreisFarmsen-Berne sind sie sicher gut über die Probleme informiert, die durch den Mangel an bezahlbaren Wohnraum bestehen.
Deshalb ist der mittel- und langfristige Leerstand von Wohnraum auch möglichst zu vermeiden. In der Siedlung Berne stehen bereits seit längerer Zeit Wohnungen leer.

1. Sind Ihnen Wohnungen in der Siedlung Berne, die seit mindestens vier Monaten leer stehen, bekannt und wenn ja wie viele Wohnungen, die seit mindestens vier Monaten leer stehen sind Ihnen bekannt?

2. Wie haben Sie sich oder werden Sie sich dafür einsetzen, dass ein längerfristiger Leerstand von Wohnungen in der Siedlung unterbleibt?

Mit freundlichen Grüßen Ellen Linnemann

Antwort von Lars Pochnicht am 02.04.2014

Sehr geehrte Frau Linnemann,
ich stimme Ihnen vollkommen zu, dass Wohnungen schnellstmöglich wieder in die Vermietung gelangen sollten, insbesondere in einer Stadt wie Hamburg, in der bezahlbarer Wohnraum leider knapp ist.
Der genaue Leerstand einzelner Wohnanlagen in meinem Wahlkreis ist mir in meiner Funktion als Abgeordneter allerdings nicht bekannt.

Darüber hinaus ist mir als Aufsichtsratsmitglied der Genossenschaft die Vermietungssituation in der Siedlung Berne durch genossenschaftsinterne Mitteilungen sehr wohl bekannt.
Diese internen Informationen sind allerdings nicht öffentlich, so dass ich Ihnen hierzu keine Auskunft geben kann.

Mit freundlichen Grüßen Lars Pochnicht


Kommentar der Initiative:

Wir finden es sehr befremdlich, das Herr Pochnicht zu Fragen des Leerstandes in der Siedlung in seiner Funktion als Aufsichtsratsmitglied offenbar Informationen besitzt, von denen er in seiner Funktion als Bürgerschaftsabgeordneter keine Kenntnis hat. Die gleichzeitige Ausübung von Abgeordneten- und Aufsichtsratstätigkeit wird nicht nur von uns seit langem kritisiert. Hier haben wir ein schönes Beispiel dafür, wie konfliktträchtig diese Art Ämterhäufung sein kann. Wenn ihm Leerstände in seinem Wahlkreis nicht bekannt sind, so könnte er sich doch sicher darüber informieren – immerhin ist er ja Abgeordneter der Bürgerschaft!
Welche Seite vertritt Herr Pochnicht nun? Die der SPD, die Wohnungsleerstände vermeiden will, oder die des Aufsichtsrats, der diese Leerstände duldet?
Unser Vorschlag: Bei Tätigkeiten in Gremien (Vertreterversammlung, Aufsichtsrat, Vorstand) unserer Genossenschaft darf nicht gleichzeitig ein politisches Amt ausgeübt werden.