„Bei uns“

Die Zeitschrift der Hamburger Wohnungsbaugenossenschaften „Bei uns“ erscheint viermal im Jahr und wird an die Mitglieder aller Wohnungsbaugenossenschaften verteilt. Jede Genossenschaft gestaltet darin einige Seiten, die sie selbst redaktionell verantwortet. So erhält jedes Genossenschaftsmitglied eine Zeitschrift, in der sich einige Seiten speziell auf die Genossenschaft beziehen, in der sie wohnen.

Ein Beitrag von H. Windscheid

Seit der ersten Ausgabe 2013 findet man auf den Seiten, die unser Vorstand redaktionell betreut, eine Rubrik „Vertreter stellen sich vor“. In den Texten der Vertreter findet sich auch jeweils ein kurzes Statement zur Siedlung Berne („Meine Haltung zur Siedlung“).

Die Siedlung Berne ist also zu einem gesamtgenossenschaftlichen Thema geworden, was wir begrüßen. Die in der Siedlung aufgetretenen Probleme werden früher oder später in ähnlicher Form auch andere Quartiere der Genossenschaft betreffen, die wegen ihres Baualters und Zustand dieselben problematischen Fragestellungen aufwerfen werden (Rotdornallee, Dreieckskoppel).

Einige der Vertreter fühlen sich genervt von den vielen Diskussionen und Auseinandersetzungen um die Siedlung in der Genossenschaft. Man soll demnach die Probleme, die einzelne Quartiere haben auch dort lösen und nicht die gesamte Vertreterschaft der Genossenschaft damit „belästigen“. Das ist eine nach unserem Verständnis sehr ungenossenschaftliche Haltung. Genossenschaften leben vom Solidaritätsprinzip – und die Diskussion über Probleme gehört dazu. Den Mitgliedern der Initiative-Siedlung-Berne wird vorgeworfen, eine rückwärtsgewandte und „geschichtstümelnde“ Haltung zur Siedlung einzunehmen. Unserer Auffassung nach sind die Beschäftigung mit den eigentlichen Zielen einer Genossenschaft und der Blick auf die Geschichte unserer Genossenschaft unbedingt notwendig.

Wenden wir uns zuerst der jüngsten Geschichte unserer Genossenschaft zu.

Mit der Einführung der Vertreterversammlung im Jahre 1986 sind die Mitspracherechte unserer Genossenschaftsmitglieder systematisch beschnitten worden. Die vormals aus allen Genossenschaftsmitgliedern bestehende Generalversammlung wurde durch die Vertreterversammlung ersetzt. Entscheidungen der Genossenschaft wurden nun – statt sie mit allen Mitgliedern zu treffen – von der Vertreterversammlung getroffen. Das hat auch zur Folge gehabt, dass Belange der Genossenschaft nur noch innerhalb der Vertreterversammlung diskutiert und entschieden wurden. Das einfache Mitglied konnte sich beruhigt und uninformiert über innergenossenschaftliche Vorgänge zurücklehnen – schließlich wurden seine Belange ja durch die Vertreter wahrgenommen. Zwar kann jedes Mitglied Fragen stellen, insbesondere in der Fragestunde vor der Vertreterversammlung, aber die Auswahl der Fragen, die beantwortet werden, trifft der Vorstand. So kommt es, dass Mitglieder nicht auf jede Frage Antworten erhalten – selbst wenn die Fragen keine „sensiblen“ Bereiche der Geschäftsführung berühren.Gleichzeitig gab die Vertreterversammlung durch Satzungsänderungen immer mehr Rechte an den Vorstand ab, so dass heute der Vorstand praktisch alle Entscheidungen der Genossenschaft ohne Rücksprache mit den Vertretern oder Mitgliedern treffen kann. Wie fatal diese Entscheidungen waren zeigt sich heute an der Auseinandersetzung um die Siedlung Berne, die mit dem Vorschlag über den Abriss eines Siedlungshauses begann. Die jahrelange Lethargie der Mitglieder gegenüber den Vorgängen in den genossenschaftlichen Gremien erweist sich heute – im Rückblick – als schlechte Entscheidung. Jetzt, wo eine aktive Teilnahme an den Beschlüssen der Gremien von vielen Mitgliedern gewünscht wird, ist diese nicht mehr möglich.

Viele Mitglieder unserer Genossenschaft sind sich der Besonderheit einer Genossenschaft gegenüber einem Wohnungsunternehmen nicht (mehr) bewusst. Das kann man nachvollziehen, denn unsere Genossenschaft verhält sich in der Tat wie ein ganz normales Wohnungsbauunternehmen. Das heißt aber nicht, dass wir Mitglieder diese Abkehr von der Genossenschaft als Organisationsform gutheißen.

Der Zweck einer Genossenschaft ist nicht, immer größer zu werden und den Gewinn zu steigern – eben das unterscheidet sie von anderen Wirtschaftsunternehmen. Genossenschaften sollen vor allem ihre Mitglieder fördern.

„So gewährleisten die Genossenschaften eine gute, sichere und sozial verantwortbare Wohnungsversorgung und verwalten und erweitern ihren Wohnungsbestand entsprechend der Bedürfnisse ihrer Mitglieder, indem sie u.a. bezahlbaren und altersgerechten Wohnraum zur Verfügung stellen.“ (wohnungsbaugenossenschaften.de)

Hier darf mit Recht gefragt werden, ob dies auch auf unsere Genossenschaft zutrifft. Nehmen wir beispielhaft die oft zitierten seniorenfreundlichen oder –gerechten Wohnungen, die von so vielen Mitgliedern gewünscht werden. Der Verband Norddeutscher Wohnungsunternehmen, in dem auch unsere Genossenschaft Mitglied ist, hat unlängst festgestellt, dass Neubau aufgrund der gestiegenen Baukosten nur noch zu einem Preis von mindesten 12,50 € pro qm Kaltmiete zu verwirklichen sei. Auch unsere Genossenschaft kommt nahe an diese Summe bei Neubau heran. Rechnen wir also mit 10€ pro qm. Der Auffassung unseres Vorstandes folgend, der den Ansprüchen heutiger Senioren Rechnung tragend für eine Seniorenwohnung mit 2 ½ Zimmern auf eine Wohnungsgröße von ca. 60qm kommt, betrüge die Kaltmiete 600€. Dazu kommen die Nebenkosten. Die endgültige Summe (inklusive Nebenkosten) liegt wahrscheinlich irgendwo zwischen 800 und 900€. Es freut uns, dass wir Genossenschaftsmitglieder haben, die diese Summe für eine seniorengerechte Wohnung aufbringen könnten – die Realität sieht jedoch leider anders aus. Viele unserer älteren Genossen wohnen noch in den Siedlungshäusern, obwohl ihnen die Gartenarbeit längst zur Last geworden ist, weil sie sich eine andere Wohnung – auch in der Genossenschaft – schlicht nicht leisten können. Die derzeitige Durchschnittsrente beträgt für Männer 1.200€. Bei einer Nutzungsgebühr von inklusive 800€ reicht das vorn und hinten für eine seniorenfreundliche Neubauwohnung nicht aus. In diesem Dilemma stecken viele Genossen. Und die derzeitige Rentenpolitik der großen Koalition lässt auf keine Besserung der Situation hoffen.

Aber auch junge Familien stecken in denselben Sachzwängen: eine Neubauwohnung lässt sich, wenn nicht beide Eltern arbeiten kaum finanzieren. Genau diese Bedürfnisse – günstiger und guter Wohnraum – wurden ursprünglich von Genossenschaften bereitgestellt. Seit diese sich jedoch Gewinnmaximierung und Neubau auf die Fahne geschrieben haben, hat oft der finanzschwächere „kleine Mann“ das Nachsehen. Auch unsere Genossenschaft möchte sich vergrößern und neu bauen. Vermutlich wird die Nutzungsgebühr dann aber von den Genossen, die auf genau diese Wohnungen warten, nicht zu finanzieren sein. Umso unbegreiflicher ist das Verhalten der Genossenschaft in Bezug auf die Häuser zwischen Berner Heerweg und Meiendorfer Stieg. Hier steht günstiger Wohnraum leer, wird nicht instandgesetzt und den verbleibenden Nutzern wird ein Umzug in ein anderes Siedlungshaus schmackhaft gemacht. Die Genossenschaft behauptet sogar wider besseres Wissen, die Siedlungshäuser würden nicht mehr nachgefragt. Es gab Angebote, Siedlungshäuser auf eigene Kosten zu sanieren – diese wurden jedoch ausgeschlagen, weil die Bewerber keine Mitglieder der Genossenschaft sind und die Vergaberichtlinien für Siedlungshäuser eine längere Mitgliedschaft voraussetzen. Wenn die Genossenschaft aber Leerstand vermeiden will, warum geht man dann auf derartige Angebote nicht ein? Im Geschosswohnungsbau ist dies doch auch möglich. Dort kann man kurzfristig Mitglied werden um den Nutzungsvertrag zu unterzeichnen. Wir haben zunehmend den Eindruck, dass die Genossenschaft die Siedlung Berne gar nicht wirklich erhalten will. Unterlassene Instandsetzung, Verzögerungen bei Reparaturen, die Haltung gegenüber dem Denkmalschutz – all dies spricht dafür. Den Bewohnern der Siedlung, die es wagen, Kritik an diesem Verhalten zu üben, wird unsoziales Verhalten vorgeworfen. Es sei nicht sozial, in kleinen und günstigen Häusern zu wohnen, wo man doch auf 1000 qm bis zu sechs großzügigere Wohneinheiten errichten könne. Sicher, das kann man – aber das hätte auch seinen Preis. Menschen mit durchschnittlichem Einkommen könnten diese Wohneinheiten nicht finanzieren. Unser Vorstand sprach einmal von einer möglichen Wohnfläche von 105 qm (auf der Fläche zwischen Berner Heerweg und Meiendorfer Stieg). Bei einem qm-Preis von 12,50€ wären das 1.250€ Kalt-Nutzungsgebühr. Wer könnte das bezahlen? Sicher nur die wenigsten der Genossenschaftsmitglieder, die jetzt in Siedlungshäusern wohnen. Und wahrscheinlich auch die wenigsten aller unserer Genossenschaftsmitglieder – denn man wird ja gerade wegen der günstigen Nutzungsgebühren Mitglied einer Genossenschaft – für 12,50€ fändet sich reichlich Wohnraum auf dem freien Markt, da wäre man nicht auf Genossenschaften angewiesen.

Es ist sozial, den günstigen Wohnraum in der Siedlung zu erhalten. Jedes Mitglied der Genossenschaft kann sich um ein Siedlungshaus bewerben. Es ist sozial auch Menschen mit geringerem Einkommen diese Art des Wohnens in einer Genossenschaft zu ermöglichen. Es ist sozial, die großen Gärten zu erhalten, die einen wichtigen Beitrag zum Erhalt der Flora und Fauna leisten.

Es ist unsozial, Mitgliedern einer Genossenschaft durch hohe Nutzungsgebühren das Wohnen in der eigenen Genossenschaft unmöglich zu machen. Es ist unsozial, das Recht der Weitergabe eines Siedlungshauses zu Lebzeiten auszusetzen und so Sondervereinbarungen für Bewohner von Siedlungshäusern zu schaffen.

Henrike Windscheid

Einladung zum Beteiligungsforum am 9.5.2014 in Wilhelmsburg

Gestaltungsmacht oder Mitmachfalle?
Infos und Diskussionen zum Stand von Bürgerbeteiligung und Stadtteildemokratie in Hamburg

im Bürgerhaus Wilhelmsburg, Mengestrasse 20, 09.05.2014, 16-22 Uhr

Logo Mitreden Entscheiden selber machen

Programm
1. 16 – 19 Uhr: Bestandsaufnahme in 4 Themenblöcken:

a.  Quartiers- und Stadtteilbeiräte: Tod auf Raten oder neuer Standard der Stadtteildemokratie?
b.  Recht auf Stadt: Von Selbstermächtigung und neuen Aktionsformen.
c.  Verkehrsinfrastruktur-Projekte: Bürgerbeteiligung als Marketinginstrument.
d.  Bürgerentscheide, Transparenz und kommunalpolitische Kompetenzen.

2.   20 – 22 Uhr: Diskussion mit Politiker/-innen

Dirk Kienscherf, SPD
Christoph J. Ploß, CDU
Olaf Duge, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Heike Sudmann, DIE LINKE
Kurt Duwe, FDP
Sebastian Seeger, PIRATEN

Hier ist das vollständige Programm zum Download:
Programm Beteiligungsforum_2014 (PDF)

Demokratie in Genossenschaften

In den letzten Jahren werden wieder mehr Mitbestimmung und demokratischere Strukturen innerhalb der Wohnungsgenossenschaften thematisiert. Wir empfehlen z. B. folgenden Artikel von Peter Lotter (Gespräch zwischen Renate Solidar – Peter Lotter, Blog Genossenschaft und Demokratie), der für uns einen großen Wiedererkennungswert hat.

http://genossenschaftunddemokratie.blogspot.de/2014/01/gesprach-renate-solidar-peter-lotter.html

Mehr Demokratie wagen

Kommentar von Jens Reichenbach

Die Vertreterversammlung der Gartenstadt Hamburg am 30. Mai 2012 hat einige Eindrücke bei mir hinterlassen und Gedanken angeregt, die ich gern formulieren würde:

Zunächst möchte ich vorausschicken, dass ich in den letzten Jahrzehnten ein entspanntes Verhältnis zu dem Vorstand unserer Genossenschaft hatte und mit den Zielen und Ergebnissen überwiegend einverstanden war. Mein früher geringes Engagement in den genossenschaftlichen Gremien ist in dieser Zufriedenheit begründet.
Die günstige Nutzungsgebühr (Haushälfte mit Ofenheizung, ohne Küche, ohne Bad) gab mir einerseits die Möglichkeit nach Kassenlage zu investieren (Küche, Bad, Gasheizung, Fenster, Garage) und andererseits schwierige Phasen der Arbeitslosigkeit ohne Existenzbedrohung zu überstehen. Die Statuten der Genossenschaft, vor Allem die Weitergabemöglichkeit in der Familie, stellten eine ausreichende Investitionssicherheit dar.
Trotz der Tatsache, dass die meisten von der Gartenstadt beauftragten Handwerker, die in meinem Haus Arbeiten verrichtet haben, ihr Handwerk nicht verstanden (wenn es gut werden sollte, habe ich es eben selbst gemacht oder selbst vergeben), ist das Ergebnis und der Stil der Kommunikation mit der Gartenstadt früher immer akzeptabel gewesen.

Das ist nun leider alles anders.
Abriss- und Verdichtungspläne der Gartenstadtsiedlung untergraben die Investitionsbereitschaft. Nicht glaubhaft dementierte Gerüchte haben die gleiche Wirkung. Und die Kommunikation? Am 30. Mai erlebte ich eine unglaublich distanzierte Aufsichtsrats- und Vorstands-„Elite“, die ganz offensichtlich jede offene Diskussion mit der Basis der Genossenschaftsmitglieder vermeiden möchte.
Der Vorstand verteidigt offenbar lieber bereits gefällte Beschlüsse, als vorher eine ergebnisoffene Meinungsbildung zu fördern (siehe hierzu den Wortlaut der Begründung, mit der der Vorstand eine Teilnahme an der offenen Informationsveranstaltung am 11. Mai 2012 abgelehnt hat). Genau diese ergebnisoffene Meinungsbildung findet aber nur im offenen Diskurs statt und nicht in einer in enge zeitliche und formale Grenzen gepressten Fragestunde. Als Krönung der Absurdität habe ich es empfunden, als am 30. Mai eine Formaldiskussion geführt wurde, ob in einer Fragestunde auch ein nicht als Frage formulierter Satz zulässig sei.
Es sind Entwicklungen und Tendenzen wie diese, die einen großen Sozialdemokraten zu dem immer aktuellen Satz veranlasst haben: Mehr Demokratie wagen.
Ich wünsche mir, dass unser Vorstand und unser Aufsichtsrat mehr Demokratie wagt. Die Basis beißt nicht, sie will nur nicht überfahren werden.
Am 30. Mai wurde mehrfach durch den Vorstand betont, dass unsere Genossenschaft wie ein Wirtschaftsunternehmen geführt werden muss. Das ist selbstverständlich nur teilweise korrekt. In Unternehmenszielen von Wirtschaftsunternehmen findet man üblicherweise keine Sätze wie „…Förderung ihrer Mitglieder vorrangig durch eine gute, sichere und sozial verantwortbare Wohnungsversorgung“, auch nicht sinnentsprechend umformuliert.
In einem entscheidenden Punkt halte ich aber den Vergleich unseres Genossenschaftsvorstands mit dem eines beliebigen Wirtschaftsunternehmens für statthaft: in der Frage der Zukunftsplanung. Herr Witt hat auf die Frage nach seinem Zukunftskonzept und wie er die Genossenschaft in fünf Jahren sieht, unumwunden zugegeben, dass er weder ein  Zukunftskonzept hat noch eine Vorstellung von der Genossenschaft in fünf Jahren.
Wie bitte?
Kein Vorstand eines Wirtschaftsunternehmens würde konzeptlos die Zukunft gestalten wollen, geschweige denn dies zugeben.
Ich bin sicher, dass sehr viele Mitglieder und unsere Vertreter sich gern an der Entwicklung eines von der breiten Mehrheit getragenen Zukunftskonzepts beteiligen würden. Das darf aber nicht übers Knie gebrochen werden, dafür brauchen wir Zeit und die Bereitschaft zum Dialog. Und wenn wir uns gemeinsam diese Zeit nehmen wird Herr Witt auf diese wichtige Frage auch befriedigend antworten können.

Jens Reichenbach