„Ärger in der Berner Gartenstadt: Hat Leerstand Methode?“

Auszug aus einem Artikel von Axel Ritscher, veröffentlicht im Hamburger Abendblatt am 11.05.15:

„Genossenschaft lässt historische Doppelhaushälften mit großen Grundstücken leer stehen. Mitglieder fürchten, dass sie lukrativem Neubau weichen sollen.

In der Mietergenossenschaft Gartenstadt Hamburg e.G. gärt es. Seit die Siedlung Berne mit ihren kleinen Mietdoppelhäusern auf den großen Grundstücken für den Obst- und Gemüseanbau 2013 unter Denkmalschutz gestellt wurde, gerät der Vorstand unter Beschuss. Denn von den 540 Doppelhaushälften blieb eine kleine Insel von 35 Einheiten ungeschützt. Und wenn sich diese Haushälften leeren, werden sie nicht wieder vermietet. Mittlerweile ist im Meiendorfer Stieg jede vierte unbewohnt.
(…)
Die mit dem Denkmalschutz verbundenen wirtschaftlichen Lasten könnten, so wird seit 2012 spekuliert, kompensiert worden sein mit den 35 ungeschützten Einheiten auf einem 35.000 Quadratmeter großen Grundstück an der Trasse der U1. Mit Geschosswohnungen an der Bahnlinie könnte eine deutlich wirtschaftlichere Nutzung der Gesamtfläche erreicht werden.
(…)
Den Abriss auch nur von Teilen der alten Arbeitersiedlung auf jeden Fall verhindern will die genossenschaftsinterne „Initiative Siedlung Berne“. Für sie ist die Entscheidung, einen Teil der Häuser nur wegen ihrer Randlage nicht unter Schutz zu stellen, nicht akzeptabel. Sie sieht eine gezielte Leerstandspolitik, um den Abriss der Häuser förmlich herbei zu warten. Die Initiative und Oberdick werfen Witt vor, profitorientiert an den Bedürfnissen der eher einkommenschwachen Genossenschaftsmitglieder vorbei zu bauen. „Der Vorstand bedient den freien Wohnungsmarkt.““

Link zum vollständigen Artikel (Abruf evtl. kostenpflichtig):
http://www.abendblatt.de/hamburg/wandsbek/article205309145/Aerger-in-der-Berner-Gartenstadt-Hat-Leerstand-Methode.html

Abrisskultur in Hamburg: Falsche Anreize und hemmungslose Genossenschaften

Hamburg ist eine Stadt, in der wir gerne wohnen. Dazu tragen die Klinkerbauten und das viele Grün an den Straßen wesentlich bei: eine einzigartige – typisch norddeutsche – Kombination von Natur und Stadt. Als Bürger einer Hansestadt hatten wir bis jetzt den Eindruck, in einer demokratisch organisierten und eben nicht obrigkeits-bestimmten Stadt zu leben. Doch seit dem der Senat begonnen hat, sein ehrgeiziges Wohnungsbauprogramm durchzusetzen, wird dieses Lebensgefühl und das Stadtbild Stück für Stück zerstört. Das ist für jeden Bürger in allen Stadtteilen zu merken.

Bäume müssen Neubauten weichen, Grünflächen ebenfalls. Stadtteilprägende Gebäude werden abgerissen, größere Verkehrsinseln bebaut, Kleingärten müssen neuen Wohnblocks weichen, ganze Stadtteile bekommen „neue Mitten“ und werden ihrer alten Struktur beraubt. Denkmäler werden zum Abriss freigegeben und Denkmalwürdige Gebäude erst lieber gar nicht unter Schutz gestellt (dann geht das mit dem Abriss für Neubauten später reibungsloser).

Bürgerinitiativen, die sich gegen dieses Vorgehen wehren, werden durch die „demokratischen“ Strukturen in Hamburg, besonders durch die Zuständigkeiten von Senat und Bezirks-„Parlament“ ausgehebelt. Der Senat hat die Möglichkeit der Evokation – und die nutzt er. Nach Möglichkeit werden die Bürger mit ihren Protesten aber schon weit vorher gestoppt. Bürgerbegehren werden für unzulässig erklärt, „aufsässige“ Mieter und Genossenschaftsmitglieder werden unter Druck gesetzt, mit Duldung der politischen Öffentlichkeit. Dafür gibt es viele Beispiele: Elisa, Langenhorn 73, Eden für Jeden, Wir sind Eppendorf, um nur einige zu nennen.

Viele Hamburger Wohnungsgenossenschaften beteiligen sich am Bauprogramm. Die als Selbsthilfeorganisation gegründete Gemeinschaften werden nun zum Ausführungsorgan der Wohnungsbaupläne des Senats und verfolgen die rigorose Politik der Abriss- und Neubaukultur. Das letzte und bisher drastischste Beispiel dafür ist die Vereinigte Hamburger Wohnungsgenossenschaft und ihr Wohnblock am Elisabethgehölz. Hier wurde allen Hamburgern vorgeführt, wie machtlos selbst eine gut vernetzte Initiative gegenüber ihrer eigenen Genossenschaft und der Hamburger Politik ist (nachzulesen in namhaften Hamburger Tageszeitungen und im Internet „Elisa-bleibt.de“). Trotz erwiesener Sanierbarkeit, trotz positiver Stellungnahmen zum Erhalt (zum Beispiel von Gesellschaften, die sich für den Schutz und den Erhalt Hamburger Klinkerbauten engagieren), trotz vorliegender Sanierungsplänen, trotz dem Kaufangebot eines Investors – der den Bau erhalten wollte, trotz Unterstützung vieler Bürger und Initiativen, war es nicht möglich, dieses stadteilprägende, historische und architektonisch wertvolle Gebäude zu erhalten.

Stattdessen soll nun für 20 Mio. Euro neu gebaut werden, statt für 2 Mio. saniert, und im Ergebnis werden es weniger Wohnungen sein als vorher. Gentrifizierung und Segregation sind die Folgen. Die Terrassenhäuser der WHW in Wandsbek werden wohl folgen.

Was aber macht den Neubau gegenüber dem Erhalt von Altbau so attraktiv? Warum wollen Vermieter lieber große und neue Wohnungen anbieten, statt ihren angestammten Mietern eine kleine und fachgerecht sanierte Wohnung zur Nutzung zu überlassen? Staatlich geförderter Neubau ist betriebswirtschaftlich für den Eigentümer wesentlich günstiger, als selbst finanzierte Sanierung mit geringeren Zuschüssen.

Mieter sind ersetzbar, entgangene Rendite nicht.

Elisa zeigt, wie die Hamburger Wohnungspolitik fehlläuft: falsche Anreize schafft, die letztlich Bestand vernichten, Mieter verdrängen und gerade auch renditeorientierte Wohnungsgenossenschaften, ihren Mitgliedern gegenüber zu rücksichtslosen Wohnungsbauunternehmen macht. Die beispielhafte Zusammenarbeit von Genossenschaft und Politik in diesem Fall sollte allen Genossenschaftsmitgliedern Hamburgs zu denken geben.

Auch wir in Berne leben in Doppelhäusern einer Gartenstadtsiedlung, die in den 20ger Jahren in Selbsthilfe errichtet worden sind. Auch wir sind Teil einer Genossenschaft. Auch unsere Genossenschaft behauptet, unsere Häuser seien unwirtschaftlich, auch unsere Genossenschaft hält die Sanierung unserer Siedlungshäuser für langfristig zu kostspielig, auch unsere Genossenschaft ist interessiert an Neubauten mit großen Wohnungen, auch unsere Genossenschaft betrachtet kleine Wohnungen als nicht „effizient“ genug, auch unsere Genossenschaft ist letztlich mehr an der erzielbaren Rendite denn an der Versorgung ihrer Mitglieder mit günstigem Wohnraum, und d.h. auch: an dem Erhalt des Bestandes, interessiert.

Werte wie eine historische und kulturell herausragende Bedeutung, gewachsene Strukturen, der Denkmalwert, in der Siedlung Berne und anderswo, haben keine Lobby im wachsenden Hamburg.

Wir sind in großer Sorge.

Initiative Siedlung Berne

Historischer Schumacher-Bau „Elisa“ wird abgerissen – droht eine Abrisswelle in Hamburg?

Nicht nur die Bürger, sondern auch Stadtplaner kritisieren zunehmend die Hamburger Behörden, die den Abriss historischer und erhaltenswürdiger Gebäude zulassen. Es geht – wie auch wir finden – um die historische Bausubstanz, deren Wert auch die atmosphärische und identitätsstiftende Bedeutung ist.

 

Die VHW-Genossenschaft hat mit dem Abriss des 20er-Jahre-Ensembles am Elisabethgehölz in Hamm begonnen. Mehr Infos: http://elisa-bleibt.de/

Auch wir befürchten, dass diese aktuellen Abrisse und die hohe Zahl der angestrebten Wohnungsneubauten eine zukünftige Abrisswelle in Hamburg andeuten.
Das Denkmalschutzamt erweist sich oftmals als weisungsgebunden und zu schwach, wenn die poltischen Vorgaben und Wirtschaftsinteressen den Abriss und Neubau wollen.

So geschehen auch bei unserer Siedlung, die das Denkmalschutzamt vollständig und begründet unter Denkmalschutz stellen wollte. Aber die Politik und die politisch gut vernetzte Führungsebene der Genossenschaft wussten das zu verhindern, das Denkmalschutzamt musste sich fügen.
Dabei ginge es auch anders.

Der Hamburger Stadtplaner Julian Petrin: „Warum machen sich andere Genossenschaften nicht anhand der Erfahrungen mit diesen Projekten schlau und retten die Bausubstanz, statt abzureißen wie am Elisabethgehölz?

Zitat aus dem Hamburger Abendblatt vom 16.3.15

Zum ganzen Artikel: „Elisa, Terrassenhäuser, Tre Castagne: Reißen wir zu viel ab?“
http://www.abendblatt.de/hamburg/article205208335/Elisa-Terrassenhaeuser-Tre-Castagne-Reissen-wir-zu-viel-ab.html#modal

 

„Vorbildliche Bürgerbeteiligung in Berne?“ – bei Frau Vértes-Schütter (SPD) nachgefragt

Nachgefragt auf abgeordnetenwatch.de:
http://www.abgeordnetenwatch.de/frage-303-43535–f430115.html#q430115

Sehr geehrte Frau Vértes-Schütter,

am Montag,  den 12.1.15  war eine Veranstaltung in der Patriotischen Gesellschaft zum Thema Denkmalschutz und Politik.  Sie haben als Fachsprecherin für Kultur und Mitglied der Bürgerschaft für die SPD an der Podiumsdiskussion teilgenommen.
Angesprochen auf die umstrittenen Vorgänge, die zu einer nur teilweisen Unterschutzstellung der Siedlung Berne geführt haben statt der vom Denkmalschutzamt vorgesehenen 100%, haben Sie unter anderem angeführt, dass es gerade in Berne dazu eine „vorbildliche Bürgerbeteiligung“ gegeben habe.
Ich wohne selbst in der Siedlung, engagiere mich schon lange für den Denkmalschutz und habe die letzten Jahre  meiner Meinung nach sehr genau verfolgt, wie Genossenschaft, Politik und Denkmalschutzamt agieren.
Bitte erklären Sie mir, was genau Sie mit der „vorbildlichen Bürgerbeteiligung“ in Berne meinen, die u.a. zu der Herausnahme von 6% der Siedlung aus dem Denkmalschutz, zur Aufhebung der Vergaberichtlinien für die Bewohner auf der Fläche,  und anderem mehr geführt hat.
Offenbar habe ich da etwas sehr Wesentliches nicht mitbekommen.
An einer baldigen Antwort sind  ich und andere Mitglieder der Genossenschaft sehr interessiert.

Mit freundlichen Grüßen
Anne Dingkuhn